Da die Weltbevölkerung weiter zunimmt, steigt die Nachfrage nach neuen und modernisierten Infrastrukturen. Angesichts der von Experten prognostizierten Zunahme der Weltbevölkerung um weitere zwei Milliarden bis ins Jahr 2040 ist es nicht verwunderlich, dass die Aktivitäten auf dem Infrastrukturmarkt zunehmen, um diese Nachfrage zu befriedigen. Im Jahr 2020 werden diese Aktivitäten voraussichtlich 4,2 Billionen Dollar ausmachen. In der Tat schätzt Global Infrastructure Outlook, dass die globale Infrastrukturentwicklung bis 2040 den beachtlichen Wert von 94 Billionen Dollar erreichen muss, wenn sie mit den tiefgreifenden wirtschaftlichen und demografischen Veränderungen Schritt halten soll.1
China ist mit 29 % der weltweiten Infrastrukturausgaben nach wie vor ein Kraftpaket; Westeuropa, die USA und Kanada, auf die 50 % des globalen BIP entfallen, verzeichnen alle steigende, wenn auch gemässigtere Infrastrukturausgaben2. Unterdessen boomen die Märkte in Indien, dem Mittleren Osten und Afrika.
Die wichtigsten Differenzierungsmerkmale
Diese Infrastrukturprojekte weisen aus versicherungstechnischer Sicht mehrere wichtige Differenzierungsmerkmale auf: die Kosten, Grösse und Komplexität der Anlagen an sich, die logistischen Herausforderungen, die verlängerten Zeiträume, die für ihre Reparatur oder Ersatzarbeiten erforderlich sind, und – vielleicht am wichtigsten – die Auswirkungen etwaiger Verzögerungen auf die Gesamtfinanzierung des Projekts.
Die Kosten für die verschiedenen Arten von Turbinen, Kernreaktoren, Stromgeneratoren und Stahlwerkstoffen, die für die Fertigstellung von Infrastrukturprojekten erforderlich sind, können sich in Milliardenhöhe bewegen. Alle werden zur Unterstützung spezifischer Installationen in Auftrag gegeben, wobei es häufig um massgeschneiderte Konstruktionen geht, die den individuellen Anforderungen des jeweiligen Einzelprojekts nachkommen müssen. Beispielsweise erfordert die Herstellung des Druckbehälters bei der Herstellung eines Reaktors der Generation III+ eine Schmiedepresse mit einem Fassungsvermögen von 14’000 bis 15’000 Tonnen unter Verwendung von heissen Stahlblöcken von 500 bis 600 Tonnen. Es gibt nicht viele Schmiedepressen dieser Art auf der Welt, und einzelne Pressen haben keinen hohen Durchsatz – normalerweise werden nicht mehr als vier Druckbehälter pro Jahr hergestellt.
Sind diese Infrastrukturanlagen erst einmal hergestellt, stellt ihr Standortwechsel eine einzigartige Herausforderung dar. Die Frachten sind in der Regel übergross, unüblich oder haben eine unregelmässige Form, wiegen viele Tonnen schwer und erfordern ein besonders sorgfältiges Risikomanagement in Bezug auf das Verladen und Verzurren. Dies sind nicht die üblichen Container- oder Schüttgutprodukte, die das tägliche Brot des Frachtmarktes ausmachen.
Da die Auftragsbücher der spezialisierten Hersteller relativ voll sind, können sich die Bearbeitungszeiten für die Wiederinbetriebnahme von Anlagen, die während des Transports beschädigt oder verzögert wurden, auf Jahre belaufen. Aus diesen Gründen wirkt sich jede Beschädigung oder Verzögerung von Gütern auf dem Transportweg zwangsläufig in einem erheblichen Masse auf die Ergebnisse der dazugehörigen Infrastrukturprojekte aus.
Infrastrukturkreditgeber suchen zunehmend nach einer Absicherung, dass Fixkosten wie Schuldenrückzahlungen nicht durch verzögerte Güterlieferungen beeinträchtigt werden. Die Rückzahlung von Schulden ist auf die Einnahmen angewiesen, die mithilfe dieser Anlagegüter erwirtschaftet werden, zum Beispiel mittels Stromversorgungsverträgen, Abwasserservicegebühren, Einkünften durch den Verkauf von Bahntickets usw.
Versicherungen wie die Project Cargo/Delay in Start-Up (DSU) von LSM sind eine der wenigen Versicherungspolicen auf dem Seefrachtmarkt, die den Verlust von Fixkosten (wie den Schuldendienst) decken, den der Versicherte im Falle der Verzögerung eines Infrastrukturprojekts aufgrund eines Seefrachtschadens sonst selbst zu tragen hätte.
In der Regel gibt es auf dem Markt viele relativ kleine DSU-Schadensfälle, viele davon in Entwicklungsländern, in denen Anlagegüter schon fast per definitionem in raue und Testumgebungen geliefert werden, manchmal von Unternehmen mit wenig Erfahrung im Umgang mit unüblichen Frachten und hochspezialisierten Geräten. In diesen Situationen ist es nicht ungewöhnlich, dass eine Brücke unter ungewöhnlich schwerer Last zusammenbricht oder Anhänger auf schlecht ausgebauten Strassen umkippen oder unter schwierigen Bedingungen einfach eine Panne haben. Verluste dieser Art sind zumeist nicht katastrophal, können jedoch zu kleinen Projektverzögerungen führen.
Schwerwiegendere Fälle können grössere Ausfälle bedeuten. Ein Kraftwerk, das zu einem bestimmten Tag in Betrieb gehen soll, hat möglicherweise eine Vorlaufzeit von 24 Monaten für die Produktion seiner Dampfturbinen und müsste diese 18 Monate vor der Aufnahme des kommerziellen Betriebs an den Standort geliefert bekommen. Solche Ausfälle sind durchaus keine Seltenheit – kürzlich brach in Südafrika ein Kran während der Errichtung eines Solarkraftwerks zusammen und verursachte Verluste in Höhe von 30 Millionen Dollar3.
Bei der Deckung solcherart Szenarien geht es normalerweise um Unternehmen, die eine DSU-Deckung von 12 bis 24 Monaten suchen und um das Underwriting einer Vielzahl von Projekten, unter anderem Gasexplorationsanlagen am Polarkreis und in Kasachstan, bei denen schlechte Bedingungen aufgrund der sehr engen Wetterfenster, in denen Schiffe sicher fahren können, um bis zu acht Monate verlängern können.
Londoner Metier
Als der führende Markt für komplexe und spezielle Grossrisiken spielt der Londoner Markt seit langem eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung von auszuführenden Infrastrukturprojekten. Wenn auch kein Mangel an Folgekapazitäten bestehen mag, so gibt es doch nur wenige Marktführer.
Während sich andere Anbieter von den möglichen oder tatsächlichen grossen Verlusten abschrecken liessen und sich vom Markt zurückgezogen haben, hat Liberty Specialty Markets das Ausmass der Herausforderung und die langfristige Natur der Frachtrisiken im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten erkannt und die Entscheidung getroffen, sich dauerhaft an die Branche zu binden.
Um sich in einem so herausfordernden Marktsegment erfolgreich zu behaupten, wird unsere engagierte Frachtabteilung von einem internationalen Team aus vier Schiffsingenieuren unterstützt, die alle entweder ehemalige Kapitäne sind oder über eine langjährige Erfahrung in den Bereichen Energie, Beschaffung und Konstruktion verfügen. Dieses Team wiederum wird von Experten aus den Bauleistungs-, Unfall-, Kautions- sowie Krieg- und Terror-Versicherungsteams unterstützt. Dies bedeutet, dass jeder Kunde und jedes Risiko von einem spezifischen Team von hauseigenen Experten betreut wird, die rund um die Uhr für Auskünfte, Beratung, Meldungen und Unterstützung zur Verfügung stehen – alles als Teil der bereitgestellten Deckung. So sind zum Beispiel Mitarbeiter von LSM bei einem Kunden vor Ort Teil des Teams, das ihn in allen Bereichen von Schiffsbauberechnungen bis hin zu neuen Transportprozessen berät.
Ein dreiköpfiges Team von Spezialisten für die Schadensregulierung stellt zudem sicher, dass die Kunden im Falle eines Schadensereignisses Zugang zu einer schnellen Risikominderung durch einige der erfahrensten Fachleute auf dem Markt haben.
Volle Kraft voraus
Als Ergebnis der Investitionen von LSM in Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten arbeitet das Team inzwischen an etwa 15 bis 20 spezialisierten Premium-Grossprojekten pro Jahr, in einem Umfang von 150 Millionen Pfund – mehr als irgendwo sonst auf dem Londoner Markt4. Die Zahl der Anfragen nimmt schnell zu, da das Team seinen Ruf kontinuierlich festigt und Projekte, die unmittelbar nach der Finanzkrise keine Unterstützung fanden, erneut auf den Tisch kommen.
Zu den Projekten, die unser Underwriting-Team in letzter Zeit betreut hat, gehören ein Kernkraftwerk und ein Müllheizkraftwerk im Vereinigten Königreich, eine Batteriespeicheranlage und ein Stahlwerk in den USA, Gasprojekte in Japan und den USA, eine Raffinerie in Oman sowie verschiedene Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien, einschliesslich Onshore-Wind- und Solaranlagen. Durch den Zugriff auf Expertenwissen kann LSM das effektive Management von solchen Projekten unterstützen und bietet Kontrolloptionen, die Risiken attraktiver und kostengünstiger machen.
Dies bedeutet auch kürzere Kommunikationsketten, minimierte Kosten und trägt dazu bei, dass Projekte reibungsloser ablaufen – ein wichtiges Ziel, sowohl für LSM als auch für die Versicherten. Als genosschenschaftliches organisiertes Unternehmen setzt LSM auf eine längerfristige Risikoperspektive. Dies ist in diesem hochspezialisierten Teil des Frachtmarktes besonders wichtig, da die Versicherungszeiträume in der Regel mindestens drei Jahre betragen, aber bis zu acht Jahre dauern können. In einem so komplexen und herausfordernden Markt sind wir stolz darauf, dass viele unserer Beziehungen in dieser Kategorie bis zu dem Zeitpunkt zurückreichen, an dem die Abteilung vor über 15 Jahren eröffnet wurde – ein Beweis dafür, dass es keinen Ersatz für Vertrauen auf der Grundlage von Expertenwissen und direkten Gesprächen geben kann.