[Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht in Die VersicherungsPraxis - Fachzeitschrift für die Versicherungswirtschaft, Ausgabe: 5 / Mai 2021]

Terrorismus, Sabotage, politische Gewalt, Streiks, Aufruhr und innere Unruhen gehören zu den besonders schwer kalkulierbaren Risiken. Für viele Gefahren existieren bewehrte Risikomodelle mit denen sich die Auswirkungen gut berechnen lassen. Bei politischer Gewalt und Terrorgefahren kommt der menschliche Zufallsfaktor ins Spiel. Daher ist es zusätzlich schwierig abzuschätzen, wie, wann oder wo sich ein Risiko konkretisieren wird. Angesichts der Gefahr zunehmender innerer Unruhen weltweit prüft Corinna Walter, Underwriter Terrorism, bei Liberty Specialty Markets (LSM) für Deutschland die möglichen Folgen. Ergibt sich daraus für einen Risikomanager die Notwendigkeit, sein Unternehmen gegen die Folgen von gewalttätigen Protesten und Terrorismus stärker abzusichern und welche Versicherungslösungen kommen infrage? Dieser Artikel möchte darauf eine Antwort geben.

Steigende Gewaltbereitschaft

Steigende Gewaltbereitschaft

Laut dem vom Institute for Economics and Peace veröffentlichten Global Peace Index 2020 haben in den letzten zehn Jahren Unruhen weltweit um 282 % und Generalstreiks um 821 % zugenommen! Dazu kommt nun die Pandemie mit ihren noch nicht absehbaren wirtschaftlichen Folgen und teilweise bereits sichtbaren Protesten in vielen Ländern. Vor diesem Hintergrund sind Risikomanager in verschiedenen europäischen Märkten aktuell dabei, die Situation zu prüfen und Angebote zur Abdeckung ihrer Risiken einzuholen. Auch wenn in einzelnen Ländern solche Gefahren noch nicht greifbar erscheinen, ist es insbesondere für Unternehmen mit Risiken in mehreren Ländern wichtig, die Situation je Land zu bewerten und ein übergreifendes Deckungskonzept zu entwickeln.

Beim Blick in unsere Nachbarländer konnte in den letzten Jahren eine Zunahme gewalttätiger Straßenprotesten und Unruhen beobachtet werden. Sehen wir uns zunächst Frankreich an: Ende 2018 gingen die sogenannten Gelbwesten auf die Straße, um gegen steigende Benzinpreise zu protestieren. Daraus entwickelten sich die schlimmsten Ausschreitungen im Zentrum von Paris seit über einem Jahrzehnt. Francois Asselin, Chef des Verbands der kleinen und mittleren Unternehmen in Frankreich, rechnet laut dem Journal du Dimanche damit, dass die Gewalt in Zusammenhang mit der Gelbwesten-Bewegung die kleinen und mittleren Unternehmen insgesamt etwa 10 Milliarden Euro gekostet hat. In den Niederlanden gab es im Januar 2021 beispiellose Gewaltausbrüche bei landesweiten Protesten gegen die Lockdown-Maßnahmen. Das war selbst für die erfahrensten Versicherer von Kriegs- und Terrorrisiken dort überraschend.

Neben der kurzfristigen Auswirkung der jetzigen Pandemie müssen auch langfristige Folgen und Trends in Betracht gezogen werden. Das Vertrauen in die Politik und die Wirtschaft hat gelitten. Viele Unternehmen sind trotz staatlicher Hilfsleistungen von Insolvenz bedroht und der wirtschaftliche Erholungsprozess wird voraussichtlich Jahre dauern. Dies führt bei einem Teil der Menschen überall auf der Welt zu Frustration und Radikalisierung, die sich in Demonstrationen, teilweise begleitet von gewaltsamen Ausschreitungen, entlädt. Auch in Deutschland gab es Anti-Lockdown- oder Anti-Masken-Demonstrationen ohne, dass es dabei allerdings bisher zu nennenswerten Sachschäden gekommen ist.  Darüber hinaus erhöht die Präsenz des Schwarzen Blocks – militanter, schwarz gekleideter und maskierter anarchistischer Demonstranten – das Risiko zusätzlich. Ironischerweise entstand der Schwarze Block zuerst in Deutschland in den 1980er Jahren; hat sich aber seitdem über den ganzen Kontinent und darüber hinaus verbreitet. In Frankreich schlossen sich die Demonstranten des Schwarzen Blocks vielen Gelbwesten-Protesten an und radikalisierten den Demonstrationsverlauf ganz entscheidend.

In den USA kam es im Jahr 2020 häufig zu gewalttätigen Demonstrationen, unter anderem in Zusammenhang mit der Black-Lives-Matter-Bewegung und Anti-Lockdown-Aktivisten, sowie zu Protesten rund um die nationalen Wahlen im November. Der hierdurch entstandene Schaden wird auf rund 1 Milliarde US-Dollar geschätzt. In Bolivien zerstörten Demonstranten 5G-Mobilfunkmasten, da sie glaubten, diese könnten Coronaviren übertragen, und Anti-Masken- und Anti-Impf-Unruhen sind in vielen Staaten zu vertrauten Szenen geworden. Länder, die bisher als friedlich galten, haben erlebt, wie dieser Frieden erschüttert wurde, wobei die Ursachen vielschichtig sind. Proteste in Chile, ausgelöst durch eine Preiserhöhung für die Benutzung der U-Bahn in Santiago, überraschten viele Beobachter. In jüngster Zeit kam es in Nordirland zu einigen der schlimmsten gewalttätigen Ausschreitungen seit langem. Vielfalt und Anzahl dieser Ereignisse bedürfen der risikotechnischen Bewertung. Ein gestiegener Absicherungsbedarf zeichnet sich ab und Versicherungen sollten Antworten bereithalten – nicht nur für Deutschland, sondern weltweit.

Rising propensity to violence

Die Bedrohungslage, die jeder Risikomanager unabhängig von der Unternehmensgröße dabei zu bewerten hat ist höchst individuell. Der Art der Unternehmung, der Lage der eigenen Risiken aber auch dem Symbolwert, des eigenen Produkts oder Investments in einem Land kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Große multinationale Unternehmen sind potenziell mehr betroffen und bereits bisher darauf bedacht gewesen, sich gegen diese erhöhten Risiken abzusichern. Ihre Hauptsorge sind Streiks, Aufruhr und innere Unruhen. Insbesondere bei Luxusmarken besteht die Gefahr, Ziel von antikapitalistischen oder pro-ökologischen motivierten Angriffen zu werden. Bei den Ausschreitungen der Gelbwesten-Bewegung in Paris auf den Champs-Élysées zeigte sich dieser Effekt exemplarisch. Daraus zu schließen, dass es kleinere Firmen, abseits großer Zentren nicht treffen kann, wird dem Risiko allerdings nicht gerecht. Streiks können in einzelnen Ländern traditionell gewaltsamere Formen annehmen als in Deutschland üblich und jeden treffen. Auch der Symbolwert einer ausländischen Investition in einem Land manifestiert sich im Zweifel auch an abgelegeneren Orten außerhalb der großen Zentren.

Terrorismus

Terrorismus

Geändert hat sich auch die Art der terroristischen Bedrohung. Unternehmen können heute anders betroffen sein, als es die Szenarien vor 20 Jahren vorsahen.  Der Markt für Terrorismus und politische Gewalt hat sich weiterentwickelt. Was nach dem Angriff auf die New Yorker Zwillingstürme im Jahr 2001 als Deckung für Sachschäden durch Terroranschläge mit großem Kumulpotenzial begann, wurde erweitert.  Neue Formen der Durchführung von Terrorattacken haben Schwachstellen oder Versicherungslücken bisheriger Deckungskonzepte aufgedeckt. Die Betriebsunterbrechungsversicherung für Schäden immaterieller Art ist als Reaktion auf die Verlagerung des Schwerpunkts von Anschlägen auf Sachwerte zu Anschlägen auf Menschen entstanden, wie dies kürzlich in Frankreich und Österreich zu beobachten war. Ein Beispiel für diese aktuelle Form der Bedrohung ist der Anschlag in der belebten Wiener Innenstadt im November 2020. Es kam zu mehreren Schießereien, als ein Einzeltäter wenige Stunden vor dem Lockdown der Stadt zu schießen begann. Bei dem Anschlag wurden vier Zivilisten getötet und 23 weitere verletzt. Die Polizei musste das Stadtzentrum weiträumigen absperren.

Herkömmliche Terrorismuspolicen setzten einen Sachschaden voraus. Schäden durch eine behördliche Sperrung des Zugangs zu einem Gebiet nach einem Terroranschlag oder durch den so genannten Verlust der Anziehungskraft sind nicht versichert.

Ein weiterer sich entwickelnder Bereich sind die Haftungsrisiken für diejenigen, die von Terrorismus betroffen sind. Geschäftsinhaber und Manager haben eine Sorgfaltspflicht gegenüber ihren Mitarbeitern, Kunden und anderen, die mit ihrem Unternehmen zusammenarbeiten. Auch wenn es geschmacklos erscheinen mag, Unternehmen, die selber Zielscheibe von Terroranschlägen geworden sind, eine Mitverantwortung für die Antizipation und das Management von Terroranschlägen zu übertragen, ist es doch notwendig, dass potenziell betroffene Unternehmen sich mit diesem Thema auseinandersetzen, risikotechnisch bewerten und die Versicherbarkeit prüfen.

Lösungen

Lösungen

Der gestiegene Bedarf für Versicherungsschutz vor den Gefahren aus Streiks, Aufruhr und inneren Unruhen hat dazu geführt, dass dieses grundsätzlich bekannte und scheinbar ausdiskutierte Thema Risikomanager und Underwriter erneut beschäftigt. Traditionell war der Schutz vor diesen Gefahren in der Allgefahrendeckung der Sachversicherung enthalten und hat seinen Weg auch in viele eigenständige Terrorismusprodukte gefunden. Mit der zunehmenden Häufigkeit ziviler Unruhen in Europa und darüber hinaus äußern einige Sachversicherer jedoch Bedenken hinsichtlich dieser Deckung, insbesondere bei länderübergreifendem Versicherungsschutz. Dies liegt daran, dass die in Sachversicherungen enthaltene Allgefahrendeckung immer nur für soziale Unruhen im nationalen Kontext konzipiert war. Dabei hatten die Versicherer meist kleinere, lokal begrenzte Ereignisse im Sinn, die vielleicht zu ein paar zerbrochenen Fensterscheiben führten. Aufruhr und Unruhen, wie wir sie heute vielfach erleben, sind von größerer Gewalt und höherem Schadenpotenzial gekennzeichnet. Diese Risiken sollten durch eine passgenaue, eigenständige Police abgedeckt werden.

Beim Thema Terrorismus besteht für jeden Risikomanager in vielen Ländern die Option, die Terrorismus-Versicherung im Rahmen einer staatlich unterstützen lokalen Lösung, wie dies für Deutschland über Extremus der Fall ist. LSM ist im Jahr 2018 in den deutschen Versicherungsmarkt für die Kriegs- und Terrordeckung eingetreten. Anfang dieses Jahres brachte LSM überarbeitete Bedingungen auf den Markt, die auf die Bedürfnisse der deutschen Kunden zugeschnitten sind. Sie orientieren sich an der Formulierung der Extremus-Lösung, bieten aber zusätzlich eine Reihe optionaler Deckungen, darunter eine Betriebsunterbrechungsversicherung ohne vorausgehenden Sachschaden und Schutz vor den Gefahren aus Streiks, Aufruhr und inneren Unruhen. Durch die Bereitstellung des Wordings in deutscher Sprache ist es für Kunden darüber hinaus nun einfacher, inländische Produkte effektiver zu vergleichen.

Die umfassendste verfügbare Deckung ist Krieg und Terrorismus, Schutz vor den Gefahren aus Streiks, Aufruhr und inneren Unruhen sowie politische Gewalt. Auch wenn die Deckung gegen die Gefahren aus Streiks, Aufruhr und Unruhen in einer Allgefahrendeckung der Sachversicherung verfügbar ist, sollte man genau prüfen, dass hierin tatsächlich alle Risiken abgedeckt sind, denen ein Unternehmen aus der skizzierten Gefahrenlage heraus ausgesetzt sein könnte. Es ist wichtig, alle Fragen im Rahmen einer individuellen Risikoanalyse zu besprechen, um den für Ihre Bedürfnisse am besten geeigneten Versicherungsschutz zu finden. Dabei hat die Klarheit der Deckung höchste Priorität.

In einer sich immer weiter verändernden Welt ist es die Aufgabe der Versicherer ihren Kunden bedarfsgerechte Lösungen für veränderte Bedrohungslagen und Unterstützung bei der Risikoanalyse anzubieten. Wir sprechen gerne mit Ihnen darüber, wie sie ihren Versicherungsschutz am besten strukturieren können, um diesen sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden. Damit wollen wir dazu beitragen, dass sie die Risiken und unsere Produktoptionen optimal bewerten und auf dieser Grundlage eine fundierte Entscheidung treffen können.